Allein und doch nicht einsam? Nicht-Präsenz in Paarbeziehungen (Arbeitstitel)

Basisinformationen
  • Typ: Promotion
  • Laufzeit: 2015-2018
  • Förderung: DFG (im Rahmen des Graduiertenkollegs 1718 „Präsenz und implizites Wissen“
Projektbeschreibung

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Frage nach den Möglichkeiten und Voraussetzungen für Erhalt und Fortbestand von sozialen Beziehungen im 21. Jahrhundert. Genauer betrachtet es einen Ausschnitt dieses Forschungsfeldes und fokussiert sich auf Paarbeziehungen, die Nicht-Präsenz aufweisen. Aus heuristischen Gründen wird Nicht-Präsenz zunächst mit körperlicher Abwesenheit gleichgesetzt. Bei den untersuchten Paaren ist diese größer und umfangreicher als es bspw. im Rahmen eines ‚normalen‘ Arbeitstages zu erwarten ist und wird durch eine arbeitsmarktbedingte räumliche Distanz hervorgerufen; die Partner sind mindestens mehrere Tage am Stück an unterschiedlichen Orten und physische Kopräsenz wird für mehrere Tage nicht hergestellt, so dass die physische Nicht-Präsenz größer bzw. umfangreicher ist als die physische Kopräsenz des Paares. Es geht also um das, was man gemeinhin als Fern- oder Wochenendbeziehung bezeichnet.

Den Hintergrund dafür bildet einerseits die Feststellung, dass Nicht-Präsenz in Paaren von wachsender gesellschaftlicher Bedeutung und der Forschungsgegenstand bisher eher einseitig verhandelt wurde. Überwiegend werden quantitative Erhebungen durchgeführt, einzelne Aspekte (z.B. die Folgen für Kinder) fokussiert oder aber Nachbardisziplinen (z.B. Kommunikationswissenschaft) nehmen sich selektiv bestimmten Ausschnitten an (z.B. Einsatz von Medien). Eine umfassende Bearbeitung dieser Thematik, die die Paare und deren Perspektive genauso wie die facettenreiche Paarpraxis ernst nimmt, steht damit noch aus und soll in diesem Forschungsprojekt erfolgen.

Paare werden dabei als dynamische soziale Phänomene verstanden, die von ihrer Umwelt beeinflusst werden und auf Performativität gegründet sind. Es wird angenommen, dass Individuen in und durch wechselseitigen Austausch ein Paar werden. Sie bringen dieses Paar (als emergentes Drittes) hervor und erhalten es, indem sie als Paar interagieren, als Partner mit dem bzw. über den Partner und das Paarsein kommunizieren. Dabei nutzen sie sowohl reflexiv-explizites als auch implizit-habituelles Wissen, das ihrer soziokulturellen Umwelt entlehnt ist, aber auch ihren individuellen, persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen erwächst. Ein geteilter Wissensbestand im weitesten Sinne (d.h. von Faktenwissen über episodische Erinnerungen bis hin zu habitualisierten, praktischen Fähigkeiten) stellt dann einen wesentlichen Teil der Basis des Paares dar. Daher ist es auch notwendig, dass dieses Wissen in fortdauernden Paarinteraktionen angewandt, aktualisiert und kompatibel gehalten wird, u.a. indem kontinuierlich Gewohnheiten, gemeinsame Rituale und wechselseitige Verstehensprozesse ablaufen und Institutionalisierungen stattfinden. Hierfür sind nun wieder Präsenzen notwendig, die aber nicht auf physisches Zusammensein beschränkt sind, sondern sich bspw. auch via Medien ermöglichen lassen. Welche Präsenz in welchem Umfang für Paare nötig ist, gilt es empirisch zu ergründen. Aber es liegt nahe, dass sich dies (musterhaft) zwischen verschiedenen Paaren unterscheidet und so der Typisierung der Fälle dienen kann.

Durch rekonstruktiv-hermeneutische Analysen narrativer (Paar-)Interviews soll dies näher betrachtet werden. Zu diskutieren sind dabei Fragen auf verschiedenen Ebenen:

(1a) Was bedeutet (Nicht-)Präsenz in Paarbeziehungen? Welche Modi existieren für Kompensation oder Umgang mit Nicht-Präsenz im Kontext von Paarbeziehungen? (1b) Welche Rolle spielt bei alldem Wissen (im weitesten Sinne)? (1c) Welchen Einfluss üben welche Formen der soziokulturellen Diskursivierung und Inszenierung von (Nicht-)Präsenz und Paarbeziehungen aus?

(2) Welches sind die Bedingungen, unter denen in Paarbeziehungen subjektiv die Eindrücke ‚Wir sind ein Paar.‘ ‚Wir gehören zusammen.‘ ‚Ich bin in einer Beziehung.‘ erhalten bleiben? Was hält Menschen in Beziehungen zusammen?

(3) In welchem Zusammenhang stehen verschiedene Präsenzen, Situationen und Interaktionen? Welchen Einfluss auf die jeweiligen Grenzen haben Medien?

Beteiligte Personen:

Marie-Kristin Döbler